Regeln ohne Verfallsdatum
Im Rahmen eines Knigge-Seminars erweitern rund 60 Auszubildende ihr Wissen
Die Katze auf dem Schoß, die Maus im Rücken, den Hummer auf dem Teller: Tierisch viel zu lernen gab es dank eines Angebots der Industriegruppe Vaihingen/Enz in dieser Woche für rund 60 Auszubildende. Die vielbeinigen Anschauungsobjekte dienten letztlich dazu, für das richtige Verhalten unter Zweibeinern zu sensibilisieren.
Adolph Franz Friedrich Ludwig von Knigge kannte kein Smartphone, kein Auto, keinen elektrischen Aufzug. Wie er sich in der Welt des 21. Jahrhunderts und in einer veränderten Gesellschaftsordnung bewegt hätte, bleibt Spekulation. Dennoch gilt der Name des 1752 in Bredenbeck geborenen Freiherrn nach wie vor als Synonym für gutes Benehmen, und vieles von dem, was er schriftlich festgehalten hat, dient noch heute als Richtschnur im Alltag. „Über den Umgang mit Menschen“ heißt sein bekanntes Werk, und eben jenen stellte in dieser Woche die IHK-zertifizierte Kniggetrainerin Susanne Stier in den Mittelpunkt zweier Seminare, an denen Auszubildende aus Betrieben rund um Mühlacker und Vaihingen teilnahmen. Organisiert von der Industriegruppe Vaihingen/Enz, stieß das Angebot auf großes Interesse bei Nachwuchskräften aus den unterschiedlichsten Branchen vom angehenden Schlosser bis zur künftigen Mediengestalterin.
„Für viele Betriebe ist es Standard, ihre neuen Azubis entsprechend schulen zu lassen“, sagt Susanne Stier, die ihr Credo, dass Höflichkeit, Manieren und Benimmregeln im Berufsleben und privat so wichtig seien wie eh und je, aber nicht nur jungen Menschen vermittelt. Gleich welche Altersklasse – in einer Welt, die auf digitale Kommunikation baut, sei es umso wichtiger, den Mitmenschen wahrzunehmen und seine Gefühle nachvollziehen zu können. Das „Wir“ zähle, wobei sich das Wort auch als Aneinanderreihung der Anfangsbuchstaben von Wertschätzung, Interesse und Respekt lesen lasse.
Wie sich diese Schlagworte im beruflichen Alltag mit Leben füllen lassen, erläutert Susanne Stier an diesem Dienstag und Mittwoch im Seminarraum der Firma Steuler ihren jungen Zuhörern, die aktiv ins Geschehen einbezogen werden – etwa, wenn das richtige Begrüßen eingeübt wird. Da lauern schon die ersten Fallstricke. Doch die Probanden, die sich nach vorn trauen, machen schon vieles richtig. „Nur einmal schütteln“, greift die Referentin korrigierend ein. In Sachen Blickkontakt, Lächeln und Körperhaltung dienen die beiden jungen Männer schon als Vorbilder.
In einem nächsten Schritt versuchen sich die Azubis daran, einen fiktiven Gast im Betrieb herumzuführen. Der Tisch im Seminarraum wird umrundet, der Small Talk gepflegt, das Tempo dem Gast angepasst, und schon ist die nächste Lektion gelernt. Ein griffbereit liegendes Knigge-Buch preist der Kandidat als „Top-Produkt“ seiner Firma an, und die Trainerin ist begeistert: „So wünsche ich mir das.“ Das Verhalten dem Chef gegenüber wird ebenfalls thematisiert. Darf ein in der Hierarchie aufgestiegener Kollege vom nun Untergebenen weiterhin geduzt werden ? Prinzipiell ja, lautet die Regel der Formel „einmal du, immer du“ entsprechend. Hierarchie spielt dennoch eine nicht unbedeutende Rolle in vielen Fragen, etwa bei der Reihenfolge des gegenseitigen Vorstellens oder bei profanen Dingen wie der Sitzordnung im Auto bei einer gemeinsamen Fahrt. In der Pflicht seien, wie Susanne Stier verdeutlicht, durchaus aber auch die Vorgesetzten. Anweisungen müssten präzise und kurz formuliert werden. Wie schwierig dieser Anspruch umzusetzen ist, wird bei einer praktischen Übung deutlich. Eine Gruppe der Azubis hält eine Skizze mit geometrischen Strukturen in der Hand und bemüht sich, deren Anordnung der anderen, mit Stift und Papier ausgestatteten Hälfte möglichst exakt zu beschreiben.
Die Kommunikation mit Worten ist das eine, die nonverbale Verständigung das andere. Auch hier holt die Seminarleiterin Azubis an ihre Seite, um der Gruppe vor Augen zu führen, welche Botschaften allein aus der Körperhaltung ablesbar sind. Zeigten Augen und Bauchnabel beispielsweise in unterschiedliche Richtungen, müsse sich ein Gesprächspartner nur unzulänglich wahrgenommen fühlen.
Haltung zählt auch an der festlich gedeckten Tafel. Im Fall der Azubis liegt auf dem Teller zwar nur ein Plastik-Hummer, aber die Referentin macht Appetit darauf, die Augen für mögliche Fehler zu öffnen. Wie viel Platz soll zwischen Mensch und Tischkante frei bleiben ? Hier kommt eine rote Stoffkatze als Hilfslehrer zum Einsatz. „Sie sollte noch auf dem Schoß sitzen können“, rät Susanne Stier und greift zur Kollegin Stoffmaus, die zwischen Rücken und Lehne nicht zerquetscht werden sollte.
Wenn Katz und Maus überlebt haben, der Hummer sich dagegen seinem Schicksal fügen musste und die Zeit des Abschiednehmens gekommen ist, kann durch Knigge-mäßiges Benehmen das Pluspunkte-Konto weiter aufgefüllt werden. „Auch der letzte Eindruck ist mitentscheidend“, weiß die Referentin, und ihre Schüler werden nach rund sechs Stunden mehr als diesen einen guten Rat abgespeichert haben.
Und die Chefs ? „Ich halte das Seminar für ein reizvolles Angebot“, sagt Hans-Ulrich Wetzel, Geschäftsführer der Elser Gruppe Druck und Medien, die ebenfalls Nachwuchskräfte zum Kurs entsandt hat. Im Vordergrund stehe für ihn, dass die jungen Leute in puncto Lebenserfahrung etwas für ihren weiteren Weg mitnehmen könnten. Die Industriegruppe biete ihren Mitgliedern ein vielschichtiges Programm und vielseitige Angebote, erläutert Marc Seidel, Geschäftsführer der Geissel GmbH und Vorsitzender der Industriegruppe. Dazu gehörten in regelmäßigen Abständen Projekte für die Auszubildenden. Die Resonanz auf die jüngste Aktion sei sehr positiv gewesen. „Allein die Anmeldezahl 63 steht für sich. Aufgrund der hohen Nachfrage haben wir zwei Kurse angeboten“, sagt Seidel. Unternehmer stünden in der Verantwortung, junge Menschen in ihrer Ausbildungszeit zu begleiten. „Wir bieten ihnen neben den eigentlichen Inhalten zusätzlichen Input, den sie sonst vielleicht nicht bekommen würden. Zudem wächst die Herausforderung, geeignete Arbeitnehmer und Auszubildende zu finden, von Jahr zu Jahr. Mit solchen Aktionen machen wir auf uns als attraktiven Arbeitgeber in der Region aufmerksam.“
Foto und Bericht von Carolin Becker, erschienen im Mühlacker Tagblatt v. 03.11.2018
Im Rahmen eines Knigge-Seminars erweitern rund 60 Auszubildende ihr Wissen
Die Katze auf dem Schoß, die Maus im Rücken, den Hummer auf dem Teller: Tierisch viel zu lernen gab es dank eines Angebots der Industriegruppe Vaihingen/Enz in dieser Woche für rund 60 Auszubildende. Die vielbeinigen Anschauungsobjekte dienten letztlich dazu, für das richtige Verhalten unter Zweibeinern zu sensibilisieren.
Adolph Franz Friedrich Ludwig von Knigge kannte kein Smartphone, kein Auto, keinen elektrischen Aufzug. Wie er sich in der Welt des 21. Jahrhunderts und in einer veränderten Gesellschaftsordnung bewegt hätte, bleibt Spekulation. Dennoch gilt der Name des 1752 in Bredenbeck geborenen Freiherrn nach wie vor als Synonym für gutes Benehmen, und vieles von dem, was er schriftlich festgehalten hat, dient noch heute als Richtschnur im Alltag. „Über den Umgang mit Menschen“ heißt sein bekanntes Werk, und eben jenen stellte in dieser Woche die IHK-zertifizierte Kniggetrainerin Susanne Stier in den Mittelpunkt zweier Seminare, an denen Auszubildende aus Betrieben rund um Mühlacker und Vaihingen teilnahmen. Organisiert von der Industriegruppe Vaihingen/Enz, stieß das Angebot auf großes Interesse bei Nachwuchskräften aus den unterschiedlichsten Branchen vom angehenden Schlosser bis zur künftigen Mediengestalterin.
„Für viele Betriebe ist es Standard, ihre neuen Azubis entsprechend schulen zu lassen“, sagt Susanne Stier, die ihr Credo, dass Höflichkeit, Manieren und Benimmregeln im Berufsleben und privat so wichtig seien wie eh und je, aber nicht nur jungen Menschen vermittelt. Gleich welche Altersklasse – in einer Welt, die auf digitale Kommunikation baut, sei es umso wichtiger, den Mitmenschen wahrzunehmen und seine Gefühle nachvollziehen zu können. Das „Wir“ zähle, wobei sich das Wort auch als Aneinanderreihung der Anfangsbuchstaben von Wertschätzung, Interesse und Respekt lesen lasse.
Wie sich diese Schlagworte im beruflichen Alltag mit Leben füllen lassen, erläutert Susanne Stier an diesem Dienstag und Mittwoch im Seminarraum der Firma Steuler ihren jungen Zuhörern, die aktiv ins Geschehen einbezogen werden – etwa, wenn das richtige Begrüßen eingeübt wird. Da lauern schon die ersten Fallstricke. Doch die Probanden, die sich nach vorn trauen, machen schon vieles richtig. „Nur einmal schütteln“, greift die Referentin korrigierend ein. In Sachen Blickkontakt, Lächeln und Körperhaltung dienen die beiden jungen Männer schon als Vorbilder.
In einem nächsten Schritt versuchen sich die Azubis daran, einen fiktiven Gast im Betrieb herumzuführen. Der Tisch im Seminarraum wird umrundet, der Small Talk gepflegt, das Tempo dem Gast angepasst, und schon ist die nächste Lektion gelernt. Ein griffbereit liegendes Knigge-Buch preist der Kandidat als „Top-Produkt“ seiner Firma an, und die Trainerin ist begeistert: „So wünsche ich mir das.“ Das Verhalten dem Chef gegenüber wird ebenfalls thematisiert. Darf ein in der Hierarchie aufgestiegener Kollege vom nun Untergebenen weiterhin geduzt werden ? Prinzipiell ja, lautet die Regel der Formel „einmal du, immer du“ entsprechend. Hierarchie spielt dennoch eine nicht unbedeutende Rolle in vielen Fragen, etwa bei der Reihenfolge des gegenseitigen Vorstellens oder bei profanen Dingen wie der Sitzordnung im Auto bei einer gemeinsamen Fahrt. In der Pflicht seien, wie Susanne Stier verdeutlicht, durchaus aber auch die Vorgesetzten. Anweisungen müssten präzise und kurz formuliert werden. Wie schwierig dieser Anspruch umzusetzen ist, wird bei einer praktischen Übung deutlich. Eine Gruppe der Azubis hält eine Skizze mit geometrischen Strukturen in der Hand und bemüht sich, deren Anordnung der anderen, mit Stift und Papier ausgestatteten Hälfte möglichst exakt zu beschreiben.
Die Kommunikation mit Worten ist das eine, die nonverbale Verständigung das andere. Auch hier holt die Seminarleiterin Azubis an ihre Seite, um der Gruppe vor Augen zu führen, welche Botschaften allein aus der Körperhaltung ablesbar sind. Zeigten Augen und Bauchnabel beispielsweise in unterschiedliche Richtungen, müsse sich ein Gesprächspartner nur unzulänglich wahrgenommen fühlen.
Haltung zählt auch an der festlich gedeckten Tafel. Im Fall der Azubis liegt auf dem Teller zwar nur ein Plastik-Hummer, aber die Referentin macht Appetit darauf, die Augen für mögliche Fehler zu öffnen. Wie viel Platz soll zwischen Mensch und Tischkante frei bleiben ? Hier kommt eine rote Stoffkatze als Hilfslehrer zum Einsatz. „Sie sollte noch auf dem Schoß sitzen können“, rät Susanne Stier und greift zur Kollegin Stoffmaus, die zwischen Rücken und Lehne nicht zerquetscht werden sollte.
Wenn Katz und Maus überlebt haben, der Hummer sich dagegen seinem Schicksal fügen musste und die Zeit des Abschiednehmens gekommen ist, kann durch Knigge-mäßiges Benehmen das Pluspunkte-Konto weiter aufgefüllt werden. „Auch der letzte Eindruck ist mitentscheidend“, weiß die Referentin, und ihre Schüler werden nach rund sechs Stunden mehr als diesen einen guten Rat abgespeichert haben.
Und die Chefs ? „Ich halte das Seminar für ein reizvolles Angebot“, sagt Hans-Ulrich Wetzel, Geschäftsführer der Elser Gruppe Druck und Medien, die ebenfalls Nachwuchskräfte zum Kurs entsandt hat. Im Vordergrund stehe für ihn, dass die jungen Leute in puncto Lebenserfahrung etwas für ihren weiteren Weg mitnehmen könnten. Die Industriegruppe biete ihren Mitgliedern ein vielschichtiges Programm und vielseitige Angebote, erläutert Marc Seidel, Geschäftsführer der Geissel GmbH und Vorsitzender der Industriegruppe. Dazu gehörten in regelmäßigen Abständen Projekte für die Auszubildenden. Die Resonanz auf die jüngste Aktion sei sehr positiv gewesen. „Allein die Anmeldezahl 63 steht für sich. Aufgrund der hohen Nachfrage haben wir zwei Kurse angeboten“, sagt Seidel. Unternehmer stünden in der Verantwortung, junge Menschen in ihrer Ausbildungszeit zu begleiten. „Wir bieten ihnen neben den eigentlichen Inhalten zusätzlichen Input, den sie sonst vielleicht nicht bekommen würden. Zudem wächst die Herausforderung, geeignete Arbeitnehmer und Auszubildende zu finden, von Jahr zu Jahr. Mit solchen Aktionen machen wir auf uns als attraktiven Arbeitgeber in der Region aufmerksam.“
Foto und Bericht von Carolin Becker, erschienen im Mühlacker Tagblatt v. 03.11.2018